DHZ Nr. 11 - 20. März 2002

Dr. Christoph Wüterich und Uschi Schmitz Eine Chance, auf die wir zehn Jahre gewartet haben

Die Euphorie nach dem großen Sieg weicht nach und nach wieder der Realität; die erste Begeisterung hat sich gelegt, und Hockeydeutschland kehrt auf den Boden der Tatsachen zurück. Nein, die Medien haben uns nicht als neuen Lieblingssport auserkoren und nein, die potenziellen Sponsoren geben sich bei uns nicht die Klinke in die Hand.
Also alles wieder so, wie es vor der WM war? Keineswegs, denn der großartige Sieg unserer Mannschaft in Malaysia gibt uns eine Chance. Eine Chance, auf die wir zehn Jahre gewartet haben. Zumindest für eine Woche sind wir aus dem Medienghetto einer Randsportart aufgetaucht. Der erstmalige Gewinn der Herren-Weltmeisterschaft im Hockey hat eine breite Öffentlichkeit gefunden. Zugegeben: nur ein zartes Pflänzchen mit der Gefahr, sofort wieder zu verwelken. Deshalb müssen wir es jetzt gießen. Jetzt ist es an uns, diese Chance zu nutzen und Hockey im Gespräch zu halten.
Mit Hilfe der dha haben wir es geschafft, Hockey auch in der Woche nach dem WM-Sieg in den Medien zu platzieren. Aber machen wir uns nichts vor, nach dem Auftritt von Michael Green im Aktuellen Sportstudio wird Hockey wieder im Mediennirvana verschwinden, wenn wir nicht am Ball bleiben: Es wird nichts passieren, wenn wir es nicht selbst anpacken!
Der DHB wird in den kommenden Wochen und Monaten seine Bemühungen fortsetzen, Hockey in den überregionalen Medien mit Berichten zu etablieren. Markstein sind die Champions Trophy im September und die Hallen-WM Anfang nächsten Jahres im eigenen Land. Das verspricht Medienpräsenz und neue Kontakte mit der Wirtschaft.
Die Zuschauerresonanz bei der Champions Trophy in Köln und der Hallen-Weltmeisterschaft in Leipzig wird entscheidende Bedeutung für den Ausgang der Bewerbung um die Austragung der Weltmeisterschaft 2006 haben. Wir wollen und wir brauchen die WM in Deutschland für unseren Sport und für unsere Vereine. Der Welthockey-Verband kann sich eine Veranstaltung vor leeren Rängen wie das soeben zu Ende gegangene Turnier schlicht nicht mehr leisten. Wenn wir bei den kommenden Events „volles Haus“ haben, also wenn die Hockey-Familie diese Ereignisse annimmt, haben wir gute Chancen, den Zuschlag für 2006 zu erhalten.

Die Hockey-Familie muss nachhaltig wachsen – in den Vereinen

Aber lassen Sie uns einen Moment innehalten: Wozu unternehmen wir eigentlich alle - ob im Verein oder im Verband - die enormen Anstrengungen? Wer sagt, Weltmeister oder Olympiasieger zu werden, sei das eigentliche Ziel, liegt falsch. Öffentlichkeitsarbeit, Erfolge, Events, Ligareform: Alle ergriffenen und erfolgreich umgesetzten Maßnahmen haben nur Sinn, wenn die Hockey-Familie größer wird, wenn sie - nachhaltig - wächst. Und da sind wir am Punkt: Wachstum ist ein mühsamer Prozess, der in den Vereinen stattfindet. Die damit verbundene Arbeit kann den Vereinen niemand abnehmen. Um in den schon oft bemühten ökonomischen Kategorien zu bleiben: Die Vereine sind der Vertrieb, und ohne einen wirksamen und motivierten Vertrieb lässt sich kaum ein Produkt wirksam an den Mann/die Frau bringen. Der DHB kann und wird Hilfestellung leisten, aber es liegt auf der Hand, dass er das eigentliche Wachstum nicht bewirken kann. Lediglich die Rahmenbedingungen können verbessert werden, und ich denke, das ist in den vergangenen Jahren an der einen oder anderen Stelle gelungen und wird in den kommenden Jahren auch fortgesetzt. Aber die eigentliche Basisarbeit, die Gewinnung neuer Mitglieder, die Ansprache neuer Partner vor Ort, die Etablierung von Hockey im Schulsport etc. muss von Ihnen - unseren Vereinen - geleistet werden.
Nur so können wir alle von dem Erfolg von Kuala Lumpur profitieren, der vielleicht der Erfolg einer Mannschaft und ihrer Spieler, aber viel mehr noch der Erfolg des deutschen Hockeysports und damit aller Vereine ist.

Nehmen Sie den Steilpass auf!

Deshalb müssen wir jetzt auch gemeinsam diese Chance ergreifen: Die Hockeyfamilie - das heißt jeder einzelne in dem ihm zur Verfügung stehenden Rahmen und mit den ihm zur Verfügung stehenden persönlichen und sachlichen Ressourcen - muss jetzt aktiv werden. Der DHB hilft Ihnen gerne dabei. Aber einzelne können letztlich nichts bewegen. Nehmen Sie den Steilpass auf, den uns die Nationalmannschaft vorgelegt hat. Lassen Sie sich motivieren: Es spricht vieles dafür, dass Hockey vor einer hoffnungsvollen Zukunft steht, wenn wir alle die vielleicht nicht mehr so schnell wiederkehrende Chance nutzen. Sprechen Sie mit den Schulen in Ihrer Region, sprechen Sie Unternehmen an, gewinnen Sie neue Mitglieder und neue Freunde für den Hockeysport.
Denn es bleibt dabei: Was wir nicht selbst tun, geschieht nicht!

Dr. Christoph Wüterich
DHB-Präsident


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