DHZ Nr. 10 - 14. März 2002

Uli Meyer - Chefredakteur der DHZ Ein stimmiges Gesamtbild aus vielen kleinen Bausteinen

Es ist geschafft. Deutschlands Hockeyherren sind Weltmeister. Endlich. Zehn Jahre nach dem letzten großen Titel, dem Olympiagold von Barcelona. Sieben verlorene Halbfinals und ein unterlegenes Endspiel gehören endgültig der WM-Vergangenheit an. Beim zehnten Anlauf zum einzigen Titel, der dem Deutschen Hockey-Bund im männlichen Bereich noch fehlte, hat alles zusammengepasst. Wie bei einem Mosaik ist aus vielen kleinen Bausteinen am Ende ein komplettes, stimmiges Gesamtbild geworden. Erst so wurde der ersehnte ganz große Triumph möglich.
Selbst die Niederlage gegen Spanien hat ihren Platz in diesem Mosaik. Sie war wichtig, um die letzte, absolute Konzentration aus der Mannschaft herauszukitzeln. Anders als in Sydney, wo die einzige Turnierniederlage keinen Gegenschlag mehr zuließ und zur Tragödie wurde, lag diesmal der Zeitpunkt des Fehltritts günstiger. Die Mannschaft ist daran nicht zerbrochen, sondern auch dank fachlicher Hilfe (Psychologe Lothar Linz als weiterer Baustein) gestärkt aus der Niederlage hervorgegangen und hat sich systematisch bis zum großen Finale vorgearbeitet.

Das WM-Finale als Krönung der bisherigen Peters-Ära

Fast unverschämt viele, eigentlich alle Pläne von Bernhard Peters sind in Kuala Lumpur aufgegangen. Kontinuierliche Leistungssteigerung im Turnier? Erfüllt! Strafecken verwandeln, wenn es wichtig ist? Perfekt! Bestmögliche Leistung am Schluss? Oh ja!
Zweifellos: Das Finale war die Krönung der bisherigen Amtszeit des Bundestrainers. Auch im 45. und wichtigsten Feld-Länderspiel seiner Amtszeit hielt Peters konsequent an seinem Konzept fest, schickte seine Mannschaft mutig nach vorne und schenkte allen 18 Spielern uneingeschränktes Vertrauen, indem er sein Personal rotieren ließ wie immer. 62 Spielerwechsel in 70 Minuten - ein Rekord und wohl auch ein Hauptgrund, warum Deutschland nach acht vorangegangenen Spielen unter schwersten klimatischen Bedingungen in der Schlussphase eines tempogeladenen Finales nochmal zulegen konnte. Australien, die eigentlich fitteste Truppe unter allen, mit den eigenen Waffen geschlagen zu haben, das verlieh dem 42. Sieg in der Peters-Ära den goldenen Glanz.

Die Hockeywelt zog voller Anerkennung ihren Hut

Wer in Kuala Lumpur gesehen hat, wie respektvoll die internationale Hockeywelt ihren Hut vor diesen Deutschen zog und nicht nur pflichtschuldig, sondern voller Anerkennung zum Titel gratulierte, kann die Leistung wohl erst richtig einordnen. Deutschland habe die eigentliche Idee einer Mannschaftsleistung bei diesem 10. WM-Turnier perfektioniert, die Begriffe Stammelf und Ersatzspieler aus dem Repertoire gestrichen - so nur eine von vielen Lobpreisungen, und gar nicht einmal aus deutschem Munde. Das alles war das Ergebnis der harmonischen Arbeit des größten Betreuerstabes, den je eine deutsche Mannschaft zu einem Turnier mitgenommen hat. Es wurde geklotzt, nicht gekleckert, um vor Ort an wirklich jedes Detail denken zu können. Auch dieser Plan ist aufgegangen und hat die Investition nachträglich gerechtfertigt.
Kuala Lumpur Anfang März 2002, das war wie eine einzige deutsche Festwoche. Ganz vorne natürlich der Weltmeistertitel, daneben das gleiche (freilich weitaus bescheidenere) Kunststück der Ü 60-Veteranen und schließlich die FIH-Auszeichnungen von Florian Kunz (weltbester Spieler 2001) und Tibor Weißenborn (bester Nachwuchsspieler 2001), die bei der WM beide auch eindrucksvoll bewiesen, warum sie solch hohe Ehre erwiesen bekamen.

Ein Erfolg, der hungrig macht für weitere Ziele

Deutschland Hockeyweltmeister. Als einzige Ballsportart des Landes die Nummer eins der Welt. Hockey für einen Moment die Topmeldung im Fernsehen, selbst in den Nachrichtensendungen! Ein real gewordener Traum. Das Flugzeug, das heute auf Wolke Sieben schwebt, kommt natürlich schon bald zur Landung. Der Alltag wird sehr schnell wieder einkehren. Und doch trägt das deutsche Hockey jetzt die nächsten vier Jahre lang das Etikett „Weltmeister“.
Hoffentlich braucht es nicht wieder zehn Jahre für den nächsten Höhenflug. So wie es aussieht, hat der Erfolg von Kuala Lumpur die im Schnitt junge Mannschaft nicht satt, sondern eher hungrig für weitere Ziele gemacht. Das macht den WM-Titel nochmal schöner.


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