DHZ Nr. 09 - 6. März 2002

Uli Meyer - Chefredakteur der DHZ WM-Halbfinalteilnahme: Keine Selbstverständlichkeit

Das Zwischenziel ist erreicht. Bei Redaktionsschluss dieser DHZ-Ausgabe hat die deutsche Herren-Nationalmannschaft in Kuala Lumpur den Einzug in das WM-Halbfinale geschafft. Keine Selbstverständlichkeit. Aber das durfte angesichts der Konkurrenten in der „Todesgruppe“ A auch nicht anders erwartet werden. Am Donnerstag und am Samstag liegt nun zwischen Gold und Blech alles drin. Und erst dann hat auch eine Leistungsbeurteilung ihre Berechtigung. Warten wir es ab.

Zuschauer: Grobe Fehleinschätzungen

Noch ist die Veranstaltung nicht vorbei, doch die Zuschauer-Bilanz fällt für eine Weltmeisterschaft schon jetzt einfach katastrophal aus. Bei der Terminierung der Eröffnungsfeier wie auch bei der Gestaltung der Eintrittspreise sind den Verantwortlichen des malaysischen WM-Organisationskomitees grobe Fehleinschätzungen unterlaufen. Beides hat dazu geführt, dass die allermeisten Spiele vor Minikulissen zwischen 100 und 200 Fans ablaufen. Das Interesse der Einheimischen orientiert sich praktisch nur an der eigenen Mannschaft. Und nur dank deren guter Turniervorstellung war das Stadion ein paar Mal richtig voll. Wenn Halbfinale und Endspiel ohne Malaysia-Beteiligung über die Bühne gehen, wird es wahrscheinlich wieder ziemlich trostlos auf den Tribünenrängen aussehen.
Und die FIH kann praktisch nichts machen. Der Weltverband gab im Vorfeld Ratschläge, die von den örtlichen Ausrichtern aber nicht befolgt wurden. WM-Spiele vor gähnend leeren Zuschauerrängen geben nicht bloß für den Ausrichter, sondern vor allem für die Sportart selbst ein schlechtes Bild ab. Zudem die FIH aus Promotionszwecken auf eigene Kosten Kurzsequenzen des WM-Geschehens an weltweit operierende Fernsehkanäle wie CNN, BBC World Services oder Eurosport geliefert hat. Da müssen die TV-Zusammenschnitte schon sehr sorgfältig bearbeitet werden, um den Eindruck einer Weltmeisterschaft ohne Zuschauer erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Wenn FIH-Präsidentin Els van Breda in Kuala Lumpur neue Richtlinien für die Ausrichtung von Großveranstaltungen ankündigte, dann wird es bestimmt auch darum gehen, dass sich der Weltverband künftig mehr Einflussmöglichkeiten auf durch konkrete Durchführung solcher Events sichern möchte. Eine Ohnmachtssituation wie in Kuala Lumpur soll es jedenfalls nicht mehr geben.

Erste Trainerentlassung während eines Hockey-WM-Turnieres

Das hat es bei einer Hockey-Weltmeisterschaft noch nicht gegeben: eine Trainerentlassung noch während des WM-Turnieres. Der erste, den dieses Schicksal ereilte, war der indische Chefcoach Cedric d’Souza. Am vergangenen Samstag morgen war es zum Eklat gekommen, als sich d’Souza auf die schrittweise Entmachtung, wie sie Verantwortliche des indischen Hockey-Verbandes mit einem internen Rollentausch offenbar vornehmen wollten, nicht einließ. Darauf machte Verbandssekretär Jothikumaran auf Geheiß von Präsident Gill die Affäre öffentlich und verkündete auf einer Pressekonferenz die Trennung von d’Souza. Dieser reiste noch am gleichen Tag aus Malaysia ab, und mit ihm der Mannschaftsarzt und ein weiteres Mitglied aus dem Stab. Beide hatten sich mit dem geschassten Chef solidarisch erklärt.
Cedric d’Souza, ein in Indien ohnehin nicht unumstrittener Trainer der Nationalmannschaft, wurde Opfer der schwachen WM-Ergebnisse seiner Mannschaft. Indien eröffnete die WM mit einem 2:2 gegen Japan und verlor anschließend gegen Südkorea, Malaysia und England. Damit war die mit Medaillen-, ja gar Titelambitionen angetretene Mannschaft katastrophal gestartet und früh aller Hoffnungen beraubt.
Als Interimstrainer wurde Rajinder Kumar vom indischen Verband eingesetzt. Kumar hatte als Chefcoach die indischen Junioren zum Weltmeistertitel 2001 geführt. Er vermied es, in Kuala Lumpur auf Meinungsverschiedenheiten mit d’Souza hinzuweisen, welche die indische Presse im Vorfeld der Herren-WM ausgemacht zu haben glaubte. „Cedric hat einen guten Job gemacht. Wir vergessen ihn nicht. Noch vor seiner Abreise hat er die Jungs darum gebeten, bis zum Turnierende das Beste zu geben“, sagte Kumar. Auch die Spieler hätten in keinster Weise die Entlassung des bisherigen Chefcoaches betrieben.
Bei den Trainern der anderen WM-Mannschaften löste der Vorgang großes Entsetzen aus. „Cedric wurde Opfer des starken politischen Einflusses im indischen Hockey“, meinte Englands Chefcoach Malcolm Wood. Und Paul Lissek, der zu d’Souza ein enges, freundschaftliches Verhältnis pflegte, reagierte geschockt: „Ich werde Cedric auf jeden Fall nach der WM besuchen und ihm irgendwie zu helfen versuchen.“ Welch ein Gefühl es ist, unfreiwillig vom Amt entbunden zu werden, hat der langjährige Bundestrainer ja auch einmal erfahren müssen.

Aus Kuala Lumpur grüßt Ihr


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